Wenn der Kalender überquillt

 

In meiner Praxis begegne ich immer wieder selbständigen Menschen, die über ihre Grenzen gehen, weil sie nicht „Nein“ sagen können. Ihr Kalender ist voll, die Tage sind lang, und trotzdem schieben sie noch „schnell“ einen Termin dazwischen. „Es geht ja schnell“, höre ich oft. Oder: „Ich will ja niemanden enttäuschen.“ Der Wunsch, für andere da zu sein, überwiegt die eigenen Bedürfnisse. Was dabei meist auf der Strecke bleibt, sind Zeit für sich selbst, Momente der Ruhe und die Kraft, die jeder Mensch braucht, um dauerhaft Freude an seiner Arbeit zu haben.

Es beginnt mit kleinen Entscheidungen. Ein Kunde ruft an, ein Freund bittet um Hilfe, und schon schiebt man noch einen weiteren Termin in den Tag. Was scheinbar nur eine Kleinigkeit ist, summiert sich schnell zu einem vollen Tag, der keine Luft mehr lässt. Keine Zeit für Pausen, keine Zeit für sich selbst, immer im Tun, immer im Geben. Doch was ist der Preis dafür? Die Müdigkeit wächst, die Freude schwindet, und abends bleibt das Gefühl, vollkommen erschöpft zu sein.

Ein übervoller Kalender mag nach Erfolg aussehen, doch was passiert, wenn du selbst aus dem Gleichgewicht gerätst? Der Körper meldet sich vielleicht mit Verspannungen oder Kopfschmerzen, der Geist wird unruhig, und die Geduld mit sich selbst und anderen wird kürzer. Für viele Selbstständige ist dieses Gefühl ein ständiger Begleiter, weil sie das Gefühl haben, immer zur Verfügung stehen zu müssen. Ein „Nein“ fühlt sich an wie ein Ablehnen des Kunden oder der Chance, die sie unbedingt ergreifen wollen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ein bewusstes Nein zu anderen ist ein Ja zu sich selbst, ein Ja zur eigenen Gesundheit, ein Ja zur eigenen Energie.

Stell dir deine Zeit wie einen kostbaren Garten vor. Wenn du diesen Garten ständig leer gießt, um alle anderen zu versorgen, wird er irgendwann austrocknen. Ein schöner Garten braucht Pflege, Zeit und Wasser, um zu gedeihen. Genauso ist es mit dir selbst: Wenn du dir nicht erlaubst, zu pausieren und aufzutanken, verlierst du nach und nach die Fähigkeit, mit voller Kraft und Freude für andere da zu sein.

Warum fällt es uns so schwer, Grenzen zu setzen? Oft steckt dahinter die Angst, jemanden zu enttäuschen. Das Helfersyndrom flüstert uns zu, dass wir gebraucht werden. Die Angst vor Verlust sagt, dass ein Nein den Kunden verschrecken könnte. Und der eigene Perfektionismus sorgt dafür, dass wir glauben, alles schaffen zu müssen. Doch das sind kleine Selbstlügen, die langfristig niemandem helfen. Ein „Ja“ aus Erschöpfung hat weniger Wert als ein klares „Ja“ aus der eigenen Mitte.

Es braucht Mut, Grenzen zu setzen, aber es lohnt sich. Beginne damit, deine Zeit bewusst zu gestalten. Blockiere dir feste Pausen und Zeiten für dich selbst in deinem Kalender. Betrachte sie als einen wichtigen Termin sie sind genauso wichtig wie alles andere, denn sie füllen deine Energie wieder auf. Übe das bewusste Nein, ohne schlechtes Gewissen. Ein freundlicher: „Mein Tag ist schon vollständig, aber ich biete dir gerne nächste Woche einen Termin an“ zeigt Respekt für die anderen und für dich selbst. Es mag ungewohnt sein, doch es schafft Klarheit und stärkt dich.

Wenn du merkst, dass dich ein weiterer Termin überfordert, halte kurz inne und frage dich: „Habe ich die Zeit und Energie dafür?“ Ein ehrliches Nein ist kein Verlust, sondern ein Gewinn. Du gewinnst Raum für dich, für deine Erholung, für deine Lebensfreude. Selbstständigkeit bedeutet nicht, sich selbst aufzugeben, sondern das eigene Leben bewusst zu gestalten. Nur wenn dein eigener Energietank gefüllt ist, kannst du das Beste geben und genau das ist es, was deine Kunden wirklich von dir brauchen.

Lass dir Zeit, diesen Umgang mit dir selbst zu üben. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern darum, achtsam zu werden. Ein voller Kalender ist kein Zeichen von Erfolg. Ein erfülltes Herz, ein ruhiger Geist und ein gesunder Körper sind es. Sie sind der Boden, aus dem alles andere wachsen kann.

Erinnere dich, deine Zeit ist wertvoll. Deine Energie ist kostbar. Du darfst es dir erlauben, sie zu schützen und achtsam damit umzugehen. Denn wenn du in Balance bist, kannst du nicht nur für dich selbst sorgen, sondern auch für andere auf die schönste und kraftvollste Art.

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