Vom Streit zur Liebe

 

Ein Paar kam in meine Praxis, dessen Beziehung von ständiger Unzufriedenheit geprägt war. Anna und Markus, Mitte vierzig, waren seit über zehn Jahren verheiratet und hatten zwei Kinder.  Doch die Harmonie zwischen ihnen war längst verschwunden. Statt liebevoller Worte gab es Kritik, Vorwürfe und das ständige Gefühl, nicht genug für den anderen zu sein. Anna beklagte, dass Markus nie zuhöre und sich nicht genug einbringe. Markus wiederum empfand sich durch Annas ständige Kritik verletzt und zog sich immer mehr zurück. Beide waren frustriert und wussten nicht, wie sie aus dieser Spirale ausbrechen sollten.

Während unserer Sitzungen wurde schnell klar, dass hinter ihrer Kritik eigentlich eine tiefe Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung steckte. Beide fühlten sich nicht gesehen und nicht geschätzt, doch statt dies offen zu sagen, hatten sie sich angewöhnt, sich gegenseitige Vorwürfe zu machen. Diese Gewohnheit hatte ihre Verbindung nach und nach geschwächt.

Ich schlug den beiden vor, eine neue Art der Kommunikation zu erlernen, die auf Wertschätzung und Liebe basiert. Ein einfacher Satz wurde dabei zu ihrem Leitmotiv: „Ich sage dir das, weil ich dich liebe.“ Sie sollten sich bei jedem Gespräch, vor allem in kritischen Momenten, bewusst machen, dass hinter ihrer Botschaft ein positiver Kern steckt, nämlich der Wunsch nach einer besseren Verbindung. Anfangs fühlte sich das ungewohnt an, aber sie versprachen, es auszuprobieren.

Zusätzlich führte ich mit ihnen eine Übung ein, bei der sie sich gegenseitig regelmäßig loben sollten, nicht oberflächlich, sondern ehrlich und von Herzen. Jeden Abend vor dem Schlafengehen sollte jeder dem anderen eine Sache nennen, die er an ihm schätzt. Es konnte eine Kleinigkeit sein, wie „Danke, dass du heute so geduldig mit den Kindern warst“ oder „Ich mag es, wie du mich zum Lachen bringst.“ Diese kleinen Geste begannen, ihre Beziehung zu verändern. Sie bemerkten plötzlich wieder alle positiven Eigenschaften, die sie im Alltag oft übersahen.

Eine weitere wichtige Änderung war die Einführung von regelmäßigen „Teamgesprächen“. Einmal in der Woche nahmen sie sich bewusst Zeit, um miteinander über ihre Gefühlswelt zu sprechen. In diesen Gesprächen geht es nicht darum, Probleme zu lösen oder Kritik zu üben, sondern nur darum, zu teilen, wie es ihnen geht, offen, ehrlich und ohne Unterbrechungen. Sie lernten, dem anderen wirklich zuzuhören und ihn nicht zu bewerten. Anna entdeckte, wie sehr Markus sich manchmal von ihren Erwartungen überfordert fühlte, und Markus verstand, wie verletzlich Anna sich oft fühlte, wenn er sich zurückzog.

Mit der Zeit wurde aus dem frustrierten Paar ein starkes Team. Sie bemerkten, dass ihre Konflikte nicht verschwanden, sondern sie anders damit umgingen. Statt sich gegenseitig anzugreifen, begannen sie, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das Lob und die bewussten Gespräche gaben ihrer Beziehung eine neue Basis, geprägt von Respekt, Verständnis und Liebe. Anna sagte in einer späteren Sitzung: „Es fühlt sich an, als hätten wir uns wiedergefunden.“ Markus ergänzte: „Und ich habe gelernt, wie viel es ausmacht, einfach mal ‚Danke' zu sagen.“

Ihre Geschichte zeigt, wie kraftvoll es sein kann, sich bewusst für Lob und Wertschätzung zu entscheiden. Manchmal sind es die kleinen Veränderungen, die den größten Unterschied machen, vor allem, wenn sie von Herzen kommen.

(Die Namen in meinem Beispiel sind natürlich frei erfunden)

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